
Douwe van der Helm ist schon sieben Jahre lang als Reparateur bei Repair Café Steenwijkerland in den Niederlanden tätig. In dieser Zeit hat er nicht nur viele Dinge repariert, er schrieb auch Dutzende Geschichten über besondere Reparaturen auf. Diese persönlichen und oft rührenden Geschichten hat er Ende vorigen Jahres in einer einfachen Eigenausgabe zusammengefasst, mit einem Vorwort von Martine Postma. Seit Kurzem ist dieses einzigartige Büchlein auch auf Deutsch erhältlich.
Hier unten eine Vorveröffentlichung. Wenn Du das ganze Buch lesen willst, geht das auch! Bestelle es für 5 € plus Versandkosten bei Douwe van der Helm.
Schwarze und weiße Perlen
Zwischen den Besuchern mit ihren defekten Geräte stand eine auf etwa 40 Jahre geschätzte Frau mit einem schönen Büschel rotbrauner, lockiger Haare. Sie trug eine etwas verblichene Jeans mit weißen Turnschuhen darunter. Eine kurze schwarze Jacke ließ sie attraktiv und selbstbewusst aussehen.
Aus der Tasche nahm sie ein Brett von 30 mal 30 cm mit einer Anzahl von Stöcken von etwa 15 cm Höhe darauf. Einer dieser Stöcke war abgebrochen. Es musste also repariert werden. Ha, endlich eine Reparatur eines hölzernen Objekts, so dass die Kollegen schnell in meine Richtung schauten.
Die Frau setzte sich mir gegenüber und zog ihre Jacke aus. Ein heller Pullover kam zum Vorschein, dessen Farbe perfekt zu ihrem rötlich-braunen Haar passte. Sie legte das Brett vorsichtig auf den Tisch und fischte den abgebrochenen Stock aus der Tasche.
Ich zählte die Stöcke; es waren 12 Stück, einschließlich des abgebrochenen. Zuerst galt meine Aufmerksamkeit der Reparatur. Der Stock war ein wenig oberhalb der Stelle abgebrochen, an der er am Brett befestigt war. Reparieren bedeutete Kleben.
Während ich mit dem Kleber beschäftigt war, fragte ich sie nach der Bedeutung dieses kleinen Brettes mit Stöcken. Die Dame war zunächst etwas vage mit ihrer Antwort. Das einzige, was sie sagen wollte, war, dass ihr Vater es für sie gemacht hatte.
Weil ich den Zweifel in ihrer Stimme hörte, fragte ich erst einmal nicht weiter nach. Als die Reparatur abgeschlossen war, gab ich ihr das Brett zurück und riet ihr, es über Nacht trocknen zu lassen, bevor sie es wieder benutzen würde.
Zu meiner Überraschung sagte sie, sie hoffe, dass sie es nie wieder in ihrem Leben benutzen müsse. Sie muss die Überraschung auf meinem Gesicht gesehen haben und beschloss die Geschichte über das Brett zu erzählen.
Als sie etwa 30 Jahre alt war, machte sie eine schwierige Phase in ihrem Leben durch. Berufliche und private Probleme waren die Ursache. Zuerst saß sie lange Zeit zu Hause, lag viel im Bett und wollte niemand empfangen. Außer ihren Eltern besuchte sie niemand in dieser schwierigen Zeit.
Als sie merkte, dass es so nicht mehr weitergehen konnte, suchte sie Hilfe. Sie hat sehr hart an ihrer Genesung gearbeitet. Gute Tage wechselten sich mit schlechten ab. Eines Tages kam ihr Vater zu Besuch. Er reichte ihr das Brett mit den Stöcken.
Er gab ihr auch zwei kleine Zacken mit Perlen. Ein Beutel mit weißen Perlen und ein Beutel mit schwarzen Perlen. Jeder Stock repräsentierte einen Monat des Jahres. Die weißen Perlen standen für einen guten Tag und die schwarzen Perlen für einen schlechten Tag. Am Ende eines jeden Tages, bevor sie ins Bett ging, musste sie sich fragen, ob es ein guter oder ein schlechter Tag gewesen war. Wenn es ein guter Tag war, steckte sie eine weiße Perle auf den Stock. Wenn es ein schlechter Tag war, legte sie eine schwarze hinzu.
Die ersten Monate waren die schwarzen Perlen noch in der Überzahl, aber langsam gewannen die weißen Perlen die Oberhand. Am Ende fanden nur weiße Perlen den Weg zu den Stöcken.
Ihr Vater war vor ein paar Jahren gestorben. Glücklicherweise hatte er ihre vollständige Genesung miterleben können. Das Brettchen war in einem Schrank gelandet und beim Aufräumen kürzlich heruntergefallen. Deshalb war sie jetzt hier bei uns.
Um zu verhindern, dass der Stock vorzeitig bricht, habe ich ihn mit einem Stück Klebeband umwickelt. Sie konnte es am nächsten Tag abnehmen. Ich hoffte für sie, dass sie es nie wieder benutzen musste, sondern nur einen schönen Platz im Haus als Andenken an ihren Vater geben würde.
Das ist eine wunderschöne Geschichte, bin selber ein Bastler und repariere gerne Sachen für Bekannte. Kann mir das Strahlen der Dame vorstellen, das ist die größte Belohnung für jemanden der gerne Sachen repariert!
Weiter so!
Ja es gibt im Repair Cafe ,viele Begegnungen ,mit Menschen die Ihre liebgewonnen Sachen,in denen viele Erinnerungen sind,nicht einfach so wegwerfen wollen,aber leider oftmals niemanden finden ,der Ihnen dabei hilft ,diese Sachen,egal ob aus Stoff ,Holz oder anderen Werkstoffen ,wieder zum Leben zuverwecken,in unser Repair Cafe in Schwalmtal kommen alle Generationen,sei es ein kleines Mädchen mit Ihrer geliebten Nähmaschine von der Oma ,oder eine Dame mit Ihrem Engel aus verziertem Bronzeblech ,dem der Flügel abgebrochen.Allen wird geholfen .
Hallo
Dies ist in der Tat eine wunderbare Geschichte. Es gibt noch viele solcher Geschichten in meinem Büchlein. Mir ist aufgefallen, dass es einigen Leuten Spaß gemacht hat, uns ihre Geschichten zu erzählen. Und wenn die Reparatur erfolgreich ist, ist die Freude meist sehr groß.
Lieber Douwe van der Helm, vielen Dank Ihnen für Ihr tolles Buch welches ich mit großer Freude und Aufmerksamkeit gelesen habe. Es ist wirklich faszinierend mit wieviel Feingefühl und Empathie Sie sowohl Reparieren, als auch Schreiben: einfach großartig!!!
Hallo, Thomas,
Vielen Dank für Ihre schönen Worte. Sie haben mir die Röte auf die Wangen gezaubert!
Es war ein sehr schönes Projekt, und es hat mir viel Befriedigung verschafft.
Grüße, Douwe